Reeperbahn Spezialeinheit FD65

Dass die Reeperbahn der 80er Jahre nicht mit dem heutigen Partyviertel vergleichbar ist, dürfte vielen nicht unbekannt sein. Wie brutal die Kämpfe zwischen rivalisierenden Gangs und Luden zu dieser Zeit jedoch wirklich waren, zeigt die High End-Dokuserie „Reeperbahn Spezialeinheit FD65″ eindrucksvoll.

Der schöne Klaus, die Nutella Bande, Werner „Mucki“ Pinzner – die Liste illustrer Namen ist lang. In den 80er Jahren florierte das organisierte Verbrechen auf Hamburgs sündigster Meile. Zwischen Prostitution und Drogenhandel machten sich verschiedene Gangs und Zuhälter einen Namen: „Vieles ist aus heutiger Sich einfach unvorstellbar. Die Brutalität zwischen den Gangs, das toxische Verhältnis zwischen Männern und Frauen, die in den 70er und 80er Jahren für alles eine Erlaubnis von ihren Ehemännern brauchten und quasi nichts zu sagen hatten. Das in dieser Klarheit zu sehen, war schon sehr erschreckend“, sagt Christian Beetz, der die Dokuserie mit seiner Berliner Firma gebrueder beetz produziert hat.

„Alle Geschichten, die bisher über den Kiez der 70er und 80er erzählt wurden, sind aus Sicht der männlichen Luden und Banden geschrieben. Die Frauenschicksale spielen eine untergeordnete Rolle. Wir finden, dies ist absolut nicht mehr zeitgemäß und wollen mit unserer Serie neue Wege gehen und das Geschehen aus Polizeiperspektive zeigen – aus der Sicht der Fachdirektion 65″, verrät Beetz weiter. Die Sonderkommission wurde in den 80ern in Hamburg gegründet, um gegen organisierte Kriminalität vorzugehen – aus ihr entstand später dann das deutschlandweit tätige Landeskriminalamt (LKA).

Die Arbeiten an der Polizei-Serie begannen Anfang 2020: Ein Team um die Hamburger Autorin Ina Kessebohm und die Producerin Anne von Petersdorff stürzte sich für Monate in die Recherche, durchwühlte Berge von Archivmaterial und führte unzählige Hintergrundgespräche, bevor dann im Sommer die eigentlichen Dreharbeiten starten konnten. Auf und um den Kiez wurde ein Großteil der Interviews geführt. Zu Wort kommen ehemalige Polizisten und Ermittler wie auch Kiezgrößen, darunter „Zur Ritze“-Eigentümer Carsten Marek oder Kalle Schwensen.

Das kreative Team um Regisseur Georg Tschurtschenthaler kombiniert in seiner Serie bisher unveröffentlichtes Archivmaterial mit Interviewsequenzen und fiktionalen Elementen. Darüber hinaus wird ein Fokus auf das damalige Zeitgeschehen und gesamtgesellschaftliche Umbrüche gesetzt: Franz Josef Strauß hält in Hamburg als Kanzlerkandidat Brandreden gegen den amtierenden Bundeskanzler Helmut Schmidt, die Gründung der GRÜNEN, die Punk-Bewegung, die aufkommende AIDS-Pandemie. „Das unterscheidet uns von vielen True Crime-Serien, die beispielsweise auf Netflix laufen. Wir setzen das Geschehen in einen großen, gesellschaftspolitischen Kontext“, sagt Beetz.

Wer die Tage in der Presse etwas zu „Reeperbahn Spezialeinheit FD65″ liest, kommt um den Begriff „High End-Serie“ nicht herum. Doch was genau bedeutet das für die Zuschauer zu Hause? Zum einen wurde ein sehr hoher Rechercheaufwand betrieben. „Es war nicht immer einfach, unsere Protagonisten vor die Kamera zu bekommen und von unserer Sache zu überzeugen. Einige sprechen zum ersten und wahrscheinlich auch letzten Mal. Ko-Autorin Ina Kessebohm, Producer Florian Fettweis und Show-Runner/Regisseur Georg Tschurtschenthaler haben viele Vorgespräche geführt und mussten dabei sehr sensibel vorgehen“ , sagt Produzent Beetz. Ein weiterer High End-Aspekt: Der aufwändige Look. Mit dem Hamburger Kameramann Matthias Bolliger hat man bereits sehr früh einen vielseitigen DoP mit an Bord geholt, der sein Handwerk in düsteren Milieus bereits in der Serie „4 Blocks“ oder dem Film „Nur Gott kann mich richten“ unter Beweis stellen konnte. „Er hat eine starke Bildsprache und kann visuelle Konzepte sehr gut umsetzen“, so Beetz. Jedes Interview wird an sorgfältig ausgewählten Orten stimmungsvoll in Szene gesetzt.

Ab Oktober 2022 wird die fünfteilige Serie dann in der ARD-Mediathek erscheinen: „Nach unserer Netflix-Serie „Rohwedder‘ haben wir uns entschieden, die nächste High-End Dokuserie mit der ARD in Hamburg zu realisieren. Gerade die immer populärer werdende Mediathek der ARD ist die geeignete Plattform, um auch ein jüngeres Publikum zu erreichen“, so Beetz. Und sollte die Serie in der Mediathek so richtig durchstarten, wäre natürlich auch eine zweite Staffel denkbar. Die Reeperbahn hält mehr als genug Geschichten bereit.